Die Ja-Sager-Falle: Warum die zweite Führungsebene oft scheitert
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- 14. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Kürzlich habe ich an einer IHK-Veranstaltung zum Thema Unternehmensnachfolge teilgenommen – eine inspirierende Erfahrung mit wertvollen Impulsen. Besonders die Aussagen über die zweite Führungsebene hat mich zum Nachdenken gebracht und dazu motiviert, meine eigenen Erfahrungen zu diesem Thema zu teilen:
Wenn mittelständische Unternehmen wachsen oder auf einen Verkauf vorbereitet werden, wird oft eine zweite Führungsebene eingeführt. Sie soll den bisherigen alleinigen Chef entlasten und das Unternehmen professionalisieren. Doch häufig bleibt sie wirkungslos, weil sich eine Ja-Sager-Kultur entwickelt: Die neuen Führungskräfte versuchen lediglich zu antizipieren, wie der Chef entscheiden würde, statt eigenverantwortlich zu handeln. So wird die zweite Ebene zum teuren Feigenblatt ohne echten Einfluss. Doch warum scheitert die Einführung einer wirksamen zweiten Führungsebene so oft, und welche Maßnahmen sind nötig, um dies zu verhindern?
Warum scheitert die Einführung einer zweiten Führungsebene oft?
Verfestigte Unternehmenskultur: Die Mitarbeiter sind es gewohnt, dass der Chef entscheidet. Selbst wenn sie nun ermutigt werden, eigenverantwortlich zu handeln, fehlt ihnen oft die Erfahrung oder das Vertrauen in ihre eigene Entscheidungsfähigkeit.
Fehlende Klarheit in den neuen Rollen: Oft werden neue Führungskräfte in ihre Positionen gehoben, ohne dass ihre Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Dadurch bleibt unklar, in welchem Rahmen sie tatsächlich Entscheidungen treffen dürfen.
Der Chef kann nicht loslassen: Ein Inhaber, der jahrelang allein Entscheidungen getroffen hat, tut sich häufig schwer, Kontrolle abzugeben. Wenn er in kritischen Momenten doch wieder selbst entscheidet oder Entscheidungen rückgängig macht, untergräbt er die Autorität der zweiten Ebene.
Interne vs. externe Besetzung der zweiten Führungsebene: Wird die neue Führungsebene aus internen Mitarbeitern besetzt, fehlt diesen oft die Führungserfahrung und die Fähigkeit, aus der gewohnten Mitarbeiterrolle herauszutreten. Werden externe Führungskräfte geholt, können sie mit Widerstand aus der Belegschaft oder der Altführung konfrontiert werden.
Maßnahmen zur erfolgreichen Einführung einer zweiten Führungsebene
Maßnahmen für den Chef:
Loslassen lernen: Der Inhaber muss bewusst Verantwortung abgeben und akzeptieren, dass Entscheidungen auch anders ausfallen können, als er es gewohnt ist.
Vertrauen schaffen: Die zweite Ebene muss wissen, dass sie Entscheidungen treffen darf, ohne sofort korrigiert oder überstimmt zu werden.
Neue Kultur aktiv vorleben: Der Chef sollte Diskussionen fördern, kritische Fragen willkommen heißen und Vorbilder aus der neuen Führungsebene sichtbar machen.
Kommunikation und Erwartungen klären: Welche Entscheidungen trifft die zweite Ebene eigenständig? Wo sind Grenzen? Diese Fragen müssen klar beantwortet werden.
Maßnahmen für die zweite Führungsebene:
Führungsfähigkeiten entwickeln: Die neuen Führungskräfte müssen lernen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und auch in Konflikten eine Position zu vertreten.
Kultur des Widerspruchs etablieren: Es muss ausdrücklich erwünscht sein, auch unbequeme Meinungen zu äußern und Vorschläge zu machen, die vom bisherigen Kurs abweichen.
Netzwerk und Unterstützung: Externe oder interne Coaches und Sparringspartner helfen dabei, den Übergang in die neue Rolle zu bewältigen.
Interne vs. externe Besetzung der zweiten Führungsebene
Die Entscheidung, ob die zweite Führungsebene intern oder extern besetzt wird, beeinflusst maßgeblich deren Erfolg. Interne Kandidaten kennen die Unternehmenskultur und genießen Vertrauen, benötigen jedoch gezielte Führungskräfteentwicklung. Externe Führungskräfte bringen Erfahrung und neue Impulse, stoßen aber oft auf Widerstände. Ein ausgewogener Mix beider Gruppen kann helfen, Kontinuität zu wahren und gleichzeitig frische Perspektiven einzubringen. Entscheidend ist, dass die Führungskräfte in ihre Rollen hineinwachsen können und sich sowohl die Geschäftsleitung als auch das Team auf den Wandel einlassen.
Fazit
Die Einführung einer zweiten Führungsebene in mittelständischen Unternehmen ist eine große Herausforderung, insbesondere in Unternehmen mit einer starken patriarchischen Vergangenheit. Der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, ob der Inhaber bereit ist, echte Verantwortung abzugeben, und ob die neuen Führungskräfte in die Lage versetzt werden, unabhängig zu denken und zu handeln. Dabei können Organisationsberater und Coaches einen entscheidenden Beitrag leisten:
Organisationsberater sind unerlässlich, um den strukturellen Wandel zu begleiten. Sie helfen nicht nur dabei, klare Verantwortlichkeiten zu definieren, sondern auch die Unternehmenskultur zu transformieren. Durch ihre Expertise können sie den Inhaber und die Führungskräfte dabei unterstützen, die richtigen Prozesse zu etablieren, Widerstände zu überwinden und eine klare Vision für die neue Führungsebene zu entwickeln. Sie sind oft der nötige Sparringspartner, um eingefahrene Denkmuster aufzubrechen und den notwendigen Raum für Veränderung zu schaffen.
Coaching ist in diesem Kontext von unschätzbarem Wert, sowohl für den Chef als auch für die zweite Führungsebene. Für den Inhaber ist es wichtig, durch Coaching zu lernen, loszulassen und Vertrauen aufzubauen. Coaches bieten einen reflektierenden Raum, in dem Führungskräfte ihre Unsicherheiten adressieren, ihre eigene Führungskompetenz weiterentwickeln und sich gezielt auf ihre neue Rolle vorbereiten können. Der externe Coach kann helfen, den Übergang zu einer selbständigen und verantwortungsvollen Führungsebene zu gestalten und auch die notwendige Kultur des konstruktiven Widerspruchs zu etablieren.
Mit klaren Strukturen, gezielter Führungskräfteentwicklung und der Unterstützung durch Organisationsberatung und Coaching können mittelständische Unternehmen erfolgreich eine dynamische, eigenverantwortliche Führungsebene entwickeln und somit eine Ja-Sager-Kultur vermeiden.

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